Was tun bei Haftbefehl? Erste Schritte für Angehörige und Beschuldigte

Ein Haftbefehl ist für Betroffene und deren Familien ein absoluter Ausnahmezustand. Plötzlich steht die Polizei vor der Tür, jemand wird festgenommen und ins Gefängnis gebracht. In dieser Situation ist es entscheidend, besonnen zu bleiben und die eigenen Rechte zu kennen.

Sofortmaßnahmen für Beschuldigte

  • Schweigen: Machen Sie keinerlei Angaben zur Sache. Auch scheinbar harmlose Bemerkungen können später gegen Sie verwendet werden.
  • Rechtsanwalt anrufen: Sie haben das Recht auf Verteidigung – nutzen Sie es so früh wie möglich.
  • Dokumente prüfen: Lassen Sie sich den Haftbefehl zeigen und achten Sie auf Details wie Datum, Tatvorwurf und richterliche Unterschrift.
  • Nichts unterschreiben: Sie sind nicht verpflichtet, Protokolle oder Formulare sofort zu unterzeichnen.

Erste Schritte für Angehörige

Auch für Familie und Freunde ist die Situation belastend. Dennoch können Angehörige viel dazu beitragen, die Lage zu stabilisieren:

  • Ruhe bewahren und nicht mit Behörden diskutieren.
  • Unverzüglich einen Strafverteidiger kontaktieren. Dieser kann Akteneinsicht beantragen und sofort prüfen, ob die Voraussetzungen für die Inhaftierung erfüllt sind.
  • Keine Informationen ungeprüft weitergeben. Alles, was Sie äußern, könnte indirekt Einfluss auf das Verfahren haben.
  • Vollmacht für den Anwalt organisieren, damit dieser umfassend tätig werden kann.

Voraussetzungen für einen Haftbefehl

Ein Haftbefehl darf nur erlassen werden, wenn bestimmte gesetzliche Bedingungen erfüllt sind (§§ 112 ff. StPO):

  1. Dringender Tatverdacht – es muss mehr als ein bloßer Anfangsverdacht bestehen.
  2. Haftgründe – z. B. Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr (Beweise manipulieren), Wiederholungsgefahr.
  3. Verhältnismäßigkeit – mildere Maßnahmen wie Meldeauflagen oder Kaution müssen geprüft werden, bevor Untersuchungshaft angeordnet wird.

Was passiert nach der Festnahme?

Nach der Verhaftung wird der Beschuldigte spätestens am Folgetag einem Haftrichter vorgeführt. Dieser entscheidet:

  • Haftbefehl bleibt bestehen: Der Beschuldigte kommt in Untersuchungshaft.
  • Haftbefehl außer Vollzug gesetzt: Freilassung gegen Auflagen (Kaution, Meldepflicht, Abgabe des Passes).
  • Haftbefehl aufgehoben: Bei Wegfall von Verdacht oder Haftgrund.

Die Untersuchungshaft erfolgt in speziellen Abteilungen der Justizvollzugsanstalt, wo der Kontakt zum Anwalt jederzeit vertraulich möglich bleibt.

Dauer der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, wie es für das Verfahren unbedingt erforderlich ist.

  • Regelfall: maximal 6 Monate.
  • Verlängerung: bei besonders komplexen oder umfangreichen Ermittlungen kann die Haft über 6 Monate hinaus verlängert werden.
  • Beschleunigungsgrundsatz: Das Verfahren muss mit besonderer Eile betrieben werden. Verzögerungen dürfen nicht zulasten des Beschuldigten gehen.

Möglichkeiten der Verteidigung

Ein erfahrener Strafverteidiger kann sofort prüfen, ob der Haftbefehl gerechtfertigt ist und Rechtsmittel einlegen:

  • Haftprüfung (§ 117 StPO): Innerhalb von zwei Wochen wird der Fall erneut richterlich überprüft.
  • Haftbeschwerde (§ 304 StPO): Beschwerde beim nächsthöheren Gericht gegen die Entscheidung des Haftrichters.

Ziel ist es stets, die Freilassung zu erreichen oder zumindest eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erwirken.

Entschädigung bei Aufhebung oder Freispruch

Wird der Haftbefehl aufgehoben oder endet das Verfahren mit einem Freispruch, kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen:

  • 25 € pro Tag Untersuchungshaft nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG).
  • Ersatz auch für weitere Schäden, z. B. Verdienstausfall.
  • Der Anspruch muss aktiv beantragt werden – in der Regel übernimmt das der Verteidiger.

Rechte in Untersuchungshaft

Auch während der Untersuchungshaft bestehen wichtige Schutzrechte:

  • Kontakt zum Verteidiger: jederzeit und vertraulich.
  • Briefe und Besuche: grundsätzlich möglich, teilweise überwacht.
  • Haftverschonung: Bei Wegfall der Haftgründe kann die Freilassung unter Auflagen beantragt werden.

Fazit

Ein Haftbefehl ist einer der schwersten Eingriffe in die persönliche Freiheit. Für Beschuldigte und Angehörige bedeutet er Schock und Unsicherheit. Doch: Untersuchungshaft ist keine Strafe. Sie darf nur angeordnet werden, wenn strenge Voraussetzungen erfüllt sind und andere Maßnahmen nicht ausreichen.

Darum gilt:

  • Nicht reden, sondern sofort handeln.
  • Schweigen und Verteidiger einschalten.
  • Rechtsmittel nutzen, Haftgründe prüfen, auf Freilassung hinarbeiten.

Mit einer aktiven Verteidigungsstrategie, kompetenter anwaltlicher Unterstützung und klaren Schritten können Betroffene auch in dieser Ausnahmesituation ihre Rechte wahren und Chancen auf Freiheit zurückgewinnen.