Gerichtsurteil zur vorzeitigen Halbstrafentlassung bei Cannabisdelikten – Mehr Klarheit für Betroffene

Seit dem 1. April 2024 ist der Konsum von Cannabis in Deutschland erlaubt – doch viele Fragen bleiben offen. Unsere Anwälte für Betäubungsmittelstrafrecht geben Ihnen klare Antworten.

Die Möglichkeit der Halbstrafenentlassung ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Strafvollzugs. Sie erlaubt es Verurteilten, unter bestimmten Voraussetzungen deutlich früher wieder in Freiheit zu leben. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) enthält hierzu klare Vorgaben. Doch was geschieht, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern?

Unter besonderen Umständen kann eine vorzeitige Entlassung auch dann in Betracht kommen, wenn die üblichen Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind – etwa dann, wenn Gesetzesänderungen die Strafbarkeit bestimmter Handlungen neu bewerten. Dies spielt insbesondere im Zuge der aktuellen Diskussion um die Legalisierung von Cannabis eine Rolle.

Ein aktuelles Urteil bringt nun Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang: Es klärt, ob Personen, die wegen Cannabisdelikten verurteilt wurden, aufgrund der neuen Regelungen zum Cannabisgesetz (KCanG) eine Entlassung zur Halbstrafe beantragen können. Damit setzt das Gericht ein deutliches Signal für die Anpassung des Strafvollzugs an veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen.

Der Fall vor Gericht

Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht die Frage, ob einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte seiner insgesamt fünfeinhalbjährigen Haftstrafe der verbleibende Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Verurteilung erfolgte wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit einer nicht geringen Menge Cannabis – und zwar noch vor dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes (KCanG).

Das Urteil in diesem Fall könnte richtungsweisend für künftige Entscheidungen über Halbstrafenentlassungen unter den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen sein.

Oberlandesgericht Celle bestätigt Entscheidung zur Nichtaussetzung der Vollstreckung

Das Oberlandesgericht Celle hat die Beschwerde eines Verurteilten gegen die Entscheidung zur Nichtaussetzung der Reststrafe im Wesentlichen zurückgewiesen und damit die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover vom 8. Mai 2024 bestätigt. Lediglich die Sperrfrist für einen erneuten Antrag wurde von sechs auf drei Monate verkürzt.

Zwar gingen die Richter von einer positiven Sozial- und Legalprognose aus, sahen jedoch keine besonderen Umstände, die eine Halbstrafenaussetzung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB rechtfertigen würden. Die Begründung stützte sich vor allem auf zwei Punkte:

  • Keine rückwirkende Anwendung des neuen KCanG:
    Das Cannabiskontrollgesetz gilt nicht für bereits rechtskräftige Urteile nach dem früheren Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Nur Personen, deren Taten nach dem KCanG nicht mehr strafbar wären und die vor dem 1. April 2024 verurteilt wurden, profitieren von der Amnestieregelung.
  • Untersuchungshaft kein Sonderfall:
    Die lange Untersuchungshaft bis zur Urteilsrechtskraft gilt nicht als besonderer Umstand, da diese Verzögerung durch ein erfolgloses Rechtsmittel des Verurteilten selbst verursacht wurde.

Gerichtliche Entscheidung zur Verkürzung der Antragssperrfrist

Das Oberlandesgericht Celle bestätigte grundsätzlich die Anordnung einer Antragssperrfrist gemäß § 57 Abs. 7 StGB, hielt jedoch die ursprünglich festgesetzten sechs Monate für zu lang.

Mit der zeitlichen Annäherung an den Zwei-Drittel-Zeitpunkt einer Haftstrafe sinken die Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände. Vor diesem Hintergrund – und in Anbetracht der positiven Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug – erschien es nicht ausgeschlossen, dass bereits nach drei Monaten neue besondere Umstände für eine Aussetzung der Reststrafe gegeben sein könnten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Personen, die wegen Cannabisdelikten verurteilt wurden, und deren Angehörige liefert dieses Urteil eine eindeutige Botschaft: Das seit April 2024 geltende Cannabiskontrollgesetz (KCanG) entfaltet vorerst keine unmittelbare Wirkung auf bereits rechtskräftige Freiheitsstrafen nach dem alten Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Begünstigt werden ausschließlich diejenigen, die vor dem 1. April 2024 verurteilt wurden und deren Taten nach dem KCanG nicht mehr strafbar wären. Für alle anderen bleiben die bestehenden Strafen und Urteile nach dem BtMG unverändert bestehen.

Eine vorzeitige Entlassung ist weiterhin nur nach den strengen Kriterien des § 57 StGB möglich. Besonders bei längeren Haftstrafen sind die Hürden hoch: Entscheidend sind eine positive Sozial- und Legalprognose sowie das Vorliegen „besonderer Umstände“, die stets im Einzelfall geprüft werden.

Ihre Chancen auf eine vorzeitige Haftentlassung hängen maßgeblich von Ihrem Verhalten und Ihrer Entwicklung im Strafvollzug ab. Je näher Sie dem Zwei-Drittel-Punkt Ihrer Strafe kommen, desto eher können besondere Umstände angenommen werden. Aus diesem Grund hat das Gericht die zuvor festgelegte sechsmonatige Antragssperrfrist auf drei Monate reduziert.

Voraussetzungen für eine vorzeitige Haftentlassung nach der Hälfte der Strafe

Die sogenannte Halbstrafenaussetzung, also die Möglichkeit, nach der Hälfte einer Freiheitsstrafe entlassen zu werden, ist in § 57 Abs. 2 StGB geregelt. Damit eine solche Entlassung in Betracht kommt, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:

  • Mindestverbüßungsdauer:
    Der Inhaftierte muss mindestens sechs Monate der Strafe verbüßt haben. So wird sichergestellt, dass eine gewisse Mindesthaftzeit eingehalten wird.
  • Zustimmung des Verurteilten:
    Eine Entlassung zur Halbstrafe ist nur mit Einverständnis des Betroffenen möglich – gegen seinen Willen darf sie nicht angeordnet werden.
  • Vorliegen besonderer Umstände:
    Es müssen besondere, über gewöhnliche Milderungsgründe hinausgehende Umstände vorliegen. Maßgeblich sind dabei die Tat, die Persönlichkeit sowie die Entwicklung während des Strafvollzugs. Beispiele sind eine herausragend positive Resozialisierung, außergewöhnliche familiäre Situationen oder eine erfolgreich abgeschlossene Therapie.
  • Kein Risiko für die Allgemeinheit:
    Das Gericht prüft, ob von der entlassenen Person keine erhebliche Gefahr mehr ausgeht. Eine positive Prognose für ein straffreies Leben in Freiheit ist zwingend erforderlich.
  • Ermessensentscheidung des Gerichts:
    Auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, besteht kein Rechtsanspruch auf eine Halbstrafenaussetzung. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung aller relevanten Umstände.

Kommt es zu einer positiven Entscheidung, wird der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Während dieser Zeit muss sich der Entlassene an bestimmte Auflagen halten und darf keine neuen Straftaten begehen. Bei Verstößen kann die Aussetzung widerrufen werden.

Fazit: Auswirkungen des neuen Cannabiskontrollgesetzes (KCanG) auf bestehende Haftstrafen

Das neue Cannabiskontrollgesetz (KCanG) bringt deutliche Veränderungen für laufende Haftstrafen im Zusammenhang mit Cannabisdelikten. Es eröffnet in vielen Fällen die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung oder Reduzierung der Strafe.

Amnestie-Regelung als Kernpunkt
Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist die Amnestie-Regelung: Wer ausschließlich wegen Handlungen verurteilt wurde, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar sind – etwa Besitz oder Anbau geringer Mengen Cannabis – kann von seiner Reststrafe befreit werden.

Überprüfung durch die Justiz
Die Justiz ist verpflichtet, entsprechende Fälle zu prüfen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Haftverkürzung oder Entlassung zu veranlassen. In der Praxis müssen dazu tausende Akten einzeln gesichtet werden – eine erhebliche organisatorische Herausforderung.

Keine automatische Anwendung
Die Amnestie greift nicht automatisch. Jeder Fall wird individuell bewertet, um festzustellen, ob die Verurteilung ausschließlich auf nun straffreien Cannabisdelikten beruht. Wer beispielsweise wegen Handels mit größeren Mengen Cannabis verurteilt wurde, fällt weiterhin unter das Strafrecht.

Mischfälle
Bei Verurteilungen, die Cannabisdelikte und andere Straftaten betreffen, muss die Strafe neu bewertet werden. Der Cannabis-bezogene Teil könnte entfallen oder reduziert werden, während der Rest bestehen bleibt.

Rechtskräftige Urteile vor Inkrafttreten
Urteile, die vor dem Inkrafttreten des KCanG rechtskräftig wurden und nicht ausschließlich Cannabisdelikte betreffen, bleiben in der Regel bestehen. Dennoch kann im Einzelfall geprüft werden, ob eine vorzeitige Entlassung oder Strafminderung möglich ist.

Praktische Umsetzung
Die Umsetzung der Amnestie-Regelung erfordert hohen Aufwand für Gerichte und Staatsanwaltschaften. Erste Fälle zeigen jedoch, dass Strafen bereits verkürzt und Gefangene entlassen wurden.

Handlungsmöglichkeiten für Betroffene
Betroffene oder deren Angehörige können selbst aktiv werden und eine Überprüfung der Strafe beantragen, um den Prüfprozess zu beschleunigen.

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