Behandlungsfehler bei Herzinfarkt – rechtliche Bewertung und Patientenrechte

Fehler bei der Herzinfarktbehandlung können schwerwiegende Folgen haben. Lesen Sie, welche Ansprüche Patienten haben und wann Schmerzensgeld oder Schadensersatz möglich ist.

Wenn ein Herzinfarkt zu spät erkannt oder falsch behandelt wird

Ein Herzinfarkt zählt zu den häufigsten medizinischen Notfällen.
Jede Minute entscheidet über die Überlebenschancen und die spätere Lebensqualität der Betroffenen.
Kommt es zu Verzögerungen, Fehldiagnosen oder Therapiefehlern, können schwere gesundheitliche und rechtliche Folgen entstehen.

Gerade im hektischen Klinik- und Rettungsalltag passieren immer wieder Fehler: Symptome werden übersehen, EKGs falsch interpretiert oder lebensrettende Maßnahmen zu spät eingeleitet.
In solchen Fällen stellt sich die Frage: Liegt ein Behandlungsfehler vor – und wer haftet dafür?

Diagnosefehler – wenn der Herzinfarkt unerkannt bleibt

Viele Herzinfarkte werden zu spät erkannt, weil sich die Symptome nicht immer klassisch äußern.
Der medizinische Grundsatz lautet:

Ein Herzinfarkt gilt so lange als möglich, bis er sicher ausgeschlossen wurde.

Fehler entstehen häufig, wenn Beschwerden als harmlos eingestuft werden. Besonders bei Frauen, älteren Menschen und Diabetikern verlaufen Herzinfarkte oft atypisch.
Typische Warnzeichen sind:

  • Druckgefühl in der Brust,
  • Atemnot oder Schwindel,
  • Schmerzen im Arm, Kiefer oder Oberbauch,
  • plötzliche Schwäche oder Übelkeit.

Wird in solchen Situationen keine gründliche Untersuchung – etwa mittels EKG oder Troponin-Test – vorgenommen, liegt meist ein Behandlungsfehler vor.

Pflichtverletzungen in der hausärztlichen Praxis

Hausärztinnen und Hausärzte tragen eine besondere Verantwortung bei unklaren Brustbeschwerden.
Zu den ärztlichen Mindeststandards zählen:

  • ausführliche Anamnese zu Symptomen und Risikofaktoren,
  • zeitnahe Durchführung eines Elektrokardiogramms (EKG),
  • Kontrolle herzspezifischer Laborwerte (Troponin),
  • sofortige Einweisung ins Krankenhaus bei Verdacht auf Herzinfarkt.

Unterbleiben diese Maßnahmen, liegt häufig ein Behandlungsfehler vor.
Juristisch relevant ist dabei die sogenannte Befunderhebungspflicht:
Wird eine notwendige Untersuchung unterlassen, gelten Beweiserleichterungen zugunsten der Patientinnen und Patienten (§ 630h BGB).

Fehler im Rettungsdienst – Haftung und Verantwortung

Der Rettungsdienst ist häufig die erste Instanz in der Notfallkette. Schon hier kann ein Versäumnis über Leben und Tod entscheiden.
Typische Fehler sind:

  • falsche Einschätzung bei der Notrufannahme,
  • verspätetes Eintreffen des Einsatzteams,
  • unterlassene oder fehlerhafte EKG-Auswertung,
  • fehlende oder unvollständige Übergabeprotokolle im Krankenhaus.

Wird der Notfall nicht mit höchster Dringlichkeit behandelt oder ein Notarzt nicht alarmiert, kann dies ein Organisationsverschulden begründen.
Nach der Rechtsprechung gilt:
Was nicht dokumentiert wurde, gilt im Streitfall in der Regel als nicht erfolgt.

Behandlungsfehler im Krankenhaus – Risiken nach der Einweisung

Auch nach der Einweisung in die Klinik bestehen hohe Sorgfaltspflichten.
Fehler in der stationären Versorgung treten häufig auf durch:

  • verfrühte Entlassung aus der Überwachung,
  • fehlende Kontrolle bei wiederkehrenden Brustschmerzen,
  • unzureichende Weitergabe von Befunden zwischen Abteilungen,
  • mangelhafte Verlaufsbeobachtung.

Unterlassene Befunderhebungen führen rechtlich zu Beweiserleichterungen für Patientinnen und Patienten – der Schaden wird dann regelmäßig dem Krankenhaus zugerechnet.

Organisatorische Mängel und „Wochenendinfarkte“

Viele Herzinfarkte ereignen sich nachts oder am Wochenende – Zeiten, in denen Krankenhäuser oft mit weniger Personal arbeiten.
Gerade hier entstehen Risiken: verspätete Laboranalysen, fehlende Überwachung oder Fehleinschätzungen atypischer Symptome.

Nach § 630h BGB sind unterlassene Kontrollen Befunderhebungsfehler.
Fehlt eine zuverlässige Akutversorgung, liegt ein Organisationsverschulden des Krankenhauses vor.

Patientenrechte bei Herzinfarkt-Behandlungsfehlern

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn medizinische Standards verletzt werden und daraus ein Gesundheitsschaden resultiert.
Betroffene können in solchen Fällen folgende Ansprüche geltend machen:

Schadensersatz

  • Kosten für medizinische Behandlung, Pflege oder Rehabilitation
  • Umbaukosten für barrierefreies Wohnen
  • Verdienstausfall oder Rentenminderung

Schmerzensgeld

  • Ausgleich für erlittene Schmerzen und seelisches Leid
  • Höhe abhängig von Dauer und Schwere der Beeinträchtigung
  • bei groben Behandlungsfehlern oft fünf- bis sechsstellige Beträge

Bei gravierenden Versäumnissen greift die Beweislastumkehr:
Dann muss nicht der Patient, sondern der Arzt nachweisen, dass kein Fehlverhalten vorlag.

Fazit

Behandlungsfehler bei Herzinfarkt gehören zu den schwerwiegendsten Verstößen im Medizinrecht.
Ob in der Hausarztpraxis, im Rettungsdienst oder im Krankenhaus – jedes Versäumnis kann lebensbedrohliche Folgen haben.

Eine sorgfältige medizinische Dokumentation und unabhängige juristische Prüfung sind entscheidend, um Patientinnen und Patienten zu ihrem Recht zu verhelfen.